Azoren: Das Ende des Walfangs
|Wir schreiben das Jahr 1987 auf den Azoren: Die Jagd auf den Pottwal wird endgültig eingestellt. Was bei Walschützern für Freudenschreie sorgen soll, stößt bei den Einwohnern der Azoreninseln auf wenig Begeisterung. Bestand doch im Walfang eine zusätzliche Einnahmequelle für die Männer des bürgerlichen Lebens, die sonst als Bauern, Handwerkern, Pfarrer und sonstigen Berufen ihr Brot verdienten.
Mit großer Begeisterung wurde der Jagd auf den Pottwal nachgegangen und das bis zuletzt auf sehr archaische Weise: Wie zu Zeiten Herman Melville’s Moby Dick, wurde den großen Zahnwalen von kleinen schnellen Holzbooten aus nachgestellt.
Mit Lanzen und Harpunen
Im Vergleich zu den modernen Fangfabriken, die noch heute mit fragwürdiger Legitimation große Meeressäugetiere jagen, wirken die dem Wal nachstellenden Männer geradezu todesmutig, wie sie auf ihren kleinen Nussschalen mit Lanzen und Harpunen bewaffnet den Giganten der Meere zu Leibe rücken – Leib und Leben selbst in Gefahr bringend.
Auf dem rauen Atlantik bei bisweilen schlechter Sicht und hohen Wellen ausgesetzt, stellten die Jäger den großen Zahnwale nach, um diese zu harpunieren und mit den scharfen Lanzen zu töten. Der grausame und oft lang andauernde Todeskampf des Wals endete damit, dass das Tier an seinem eigenen Blut erstickte. Oft kam es vor, dass die schnellen Walfangboote von Pottwalen im Todeskampf mit ihren Schwanzflossen zertrümmert wurden. Verletzte und einzelne Todesfälle waren keine Seltenheit.
Und dieses „Berufsrisiko“ schuf einen geradezu unsterblichen Mythos vom draufgängerischen und todesmutigen Walfänger, der sein Leben aufs Spiel setzt, um sich und seine Familie mit vigiler Kraft zu ernähren.
Nostalgische Gefühle überall
Man fühlt es noch heute: Still und leise schweben Wehmut und Nostalgie mit, wenn es um das Thema Walfang geht. In den einstigen Walfangzentren lässt man die Geschichte auf- oder weiterleben: Die alten Walfangfabriken dienen heute anderen Zwecken – häufig wurden Walfangmuseen dort eingerichtet, wo die erlegten Tiere verarbeitet wurden, um Besuchern die Geschichte des blutigen Geschäftes nahe zu bringen.
Die Sprache in den Berichten und Reportagen ist verklärt. Oft gewinnt man den Eindruck, viele wünschten sich die vergangenen Zeiten zurück.
Aus der Not eine Tugend gemacht
Die Narben über den Verlust der guten alten Zeit scheinen noch nicht ganz verheilt und auch die zahlreichen Löcher in den Haushaltskassen der einheimischen Bevölkerung sind noch nicht gänzlich gestopft. Doch hat man inzwischen aus der Not eine Tugend gemacht: Die Waffen der Walfänger liegen heute bestenfalls in Museen und nur die schnellen Beiboote werden immer noch eingesetzt. Allerdings messen sich dieser Tage die Männer nicht anhand der Tonnen erlegten Walfleisches sondern anhand der Schnelligkeit ihrer Boote und deren Mannschaft.
Wo früher die Walbeobachter – die sogenannten Vijias – von ihren hohen Aussichtsposten herab den Walfängern die Sichtung von Pottwalen vermeldeten, sitzen diese oder deren Nachkommen heute wieder in ihren Türmen. Auch dieses Mal rufen sie aus, wenn sie die Meeressäuger gesichtet haben.
Doch es rücken keine Jagdboote mehr aus: Die heutigen „Jäger“ sind nunmehr begeisterte Waltouristen, die mit schnellen Schlauchbooten zum Ort des Geschehens gebracht werden, um einen begehrten Blick auf einen der Giganten der Meere werfen zu können. Vielleicht gibt es sogar eine Trophäe für zuhause: Einen digitalen Abzug auf der Kamera, der am heimischen Laptop noch bewundert und bestaunt werden darf.
Rund um die Wale ist erneut ein Wirtschaftszweig entstanden: Der Waltourismus bietet zahlreichen Menschen auf den Azoren Einkommen und eine Zukunftsperspektiven.
Und das Geschäft boomt: Allerorten entstehen neue Niederlassungen von Anbietern, die sich der Beobachtung der Meeressäuger verschrieben haben. Und wo die Branche der Walbeobachter wächst, da freuen sich auch Hotelier, Gastronom & Co. Die Gäste, die wegen der maritimen Artenvielfalt auf die Azoren reisen, wollen bewirtet und beherbergt werden.
Letztlich eine durchaus wünschenswerte Entwicklung zum Wohle der Menschen und der Tiere.